Mein Smartphone schrillt und zeigt mit unbarmherziger Penetration, dass es sieben Uhr Morgens ist. Zeit zum aufstehen. Die Fensterscheiben sind beschlagen, Nebelschwaden hängen zwischen den Bäumen und die Temperatur ist mehr als zapfig. Alles spricht dafür dass wir uns einige Höhenmeter hinaufbegeben haben. Ich weiß dass wir bald aufbrechen wollen, ein ganz neuer Tag vor uns liegt und will trotzdem um keinen Preis das Bett verlassen. Doch es hilft nichts, von meinen Achseln steigt ein nicht zu ignorierender Geruch auf und mein Haar glänzt als hätte es in Öl gebadet. Also bekämpfe ich sämtliche Schweinehunde, nehme mich zusammen, krame mein Handtuch und den Waschbeutel hervor und öffne die Schiebetür. Dave murrt. Mault ich solle gefälligst sofort wieder die Türe schließen. „Der hat’s gut“, denke ich mir. „Durbricht in Sachen Hygiene einfach den Status Quo und chillt sein Leben. Überhaupt scheint er nie zu stinken.“ Ich grummel noch ein wenig herum und mache mich dann durch das feuchte Gras und die Nebelschwaden zum angrenzenden Flussufer auf. Mit ermutigenden Selbstgesprächen und flüchtigen Blicken nach rechts und links entblöße ich meinen Oberkörper und beginne die Waschung. Nach 15 Minuten verbaler Selbstbeherrschung ist es vollbracht. Merke: Gletscherwasser bringt den Kreislauf mehr in Schwung als Jojo’s selbstgemachter Kaffee der Stärke 3. Ermuntert und mit sich langsam erwärmender Kopfhaut trabe ich im Laufschritt zurück zum Auto.
So früh sind die Berggipfel im dichten Hochnebel nur zu erahnen. Vereinzelt bricht die Sonne durch und schenkt uns freie Sicht auf weitentfernte Gletscherfelder sowie einzelne Fetzen eines blauen Himmels. Raue, unberührte Natur umgibt die einzige Straße die über einige Pässe und durch lange Tunnel in den endgültigen Fjord mündet.
Wirklich vorbereitet haben wir uns auf den heutigen Tag nun doch nicht. Früh aufstehen und dann gucken wir mal, ist eher die Devise. Und obwohl wir um Punkt acht Uhr die letzte Kurve nehmen, kommen wir auf einem völlig von Chinesen überfüllten Parkplatz an. Verdammt! Wo kommen die um diese Uhrzeit denn alle schon her? Wir schließen uns kurz. Dave und Jojo sollen den Fahrkartenkauf des Schiffes übernehmen, während Jenny und ich ein Stück zurück fahren um dort einen Parkplatz zu suchen. Abgemacht war auch, dass die Jungs uns dann mit dem zweiten Auto holen kommen, doch nach zwanzig Minuten Wartezeit kommt aus dem Gebüsch nur ein atemloser Dave, der energisch ruft, wir sollen losrennen, sonst würde unser Boot ohne uns abfahren. Zehn Minuten Zeit für zwei ein halb Kilometer Straße. Frisch gewaschene Achseln? Kenn ich nicht. Mit den Beinen in der Hand und hechelnd wie Hund, erblicke ich an einer Straßenausfahrt einen Bus. Insgeheim wünsche ich mir, wir könnten mitfahren. Nur noch zwei Meter von eben diesem Bus entfernt, dreht uns der Busfahrer den Kopf zu, nickt und gibt ein Zeichen. „Hat der uns gemeint?“, kreisch ich die hinter mir rennende Jenny an. Nun habe ich Blickkontakt mit dem Mann in der Warnweste und er deutet auf die hintere Tür. Ich kann es kaum glauben, springe in den Bus und lasse mich wie ein Sack Kartoffeln auf den nächst besten Sitz fallen. Ich danke Gott für sein Wirken, selbst in den kleinsten und unbedeutendsten Alltagssituationen. Schon nach einem kurzen Stück ist klar, dass wir das Boot ohne den auf uns wartenden Bus niemals erreicht hätten.
Im strahlenden Sonnenschein und unter einem Wolkenlosen Himmel legt unser Katamaran schließlich ab. Wir stehen auf dem obersten Deck, trotzen dem Wind und halten einen viel zu süßen, heißen Becher Kaffee in der Hand. Bestaunen die eindrucksvolle Kulisse und lauschen dem live erzählenden Sprecher.
Milford Sound – eine Mündung des Meeres in die Südlichen Alpen Neuseelands. Normalerweise regnet es hier ununterbrochen. Das dies keine Untertreibung ist, belegt der Fakt, dass bereits nach einer halben Stunde ohne Regen 90 Prozent aller vom Berg herunter fließenden Wasserfälle ausgetrocknet sind. Des weiteren haben Wissenschaftler berechnet, dass ein Erdbeben an genau diesem Ort längst überfällig ist und zudem mit der Stärke ‚8’ erwartet wird. Es kann also jeden Moment los gehen. Die Fjorde durch die wir hindurch fahren, waren einst eine ebene Fläche und zeichnen sich nun, nach Jahr Millionen Jahren als die höchsten ‚Sea-Cliffs’ weltweit aus.
Gerade als der Sprecher erzählt, dass sie oft Monate lang durch die Fjorde fahren ohne auch nur einen einzigen Delfin zu sehen, tauchen auch schon die besagten Geschöpfe neben unserem Schiff auf. Ganz schwarz sind sie und glänzen und faszinieren mich so sehr, dass ich nicht mal eine Kamera zücke um sie zu fotografieren. Auf einigen Felsen sitzen Robbenkolonien, putzen sich und scheinen uns immer wieder mit ihrer Flosse zu winken. Eben erfahre ich, dass der Mensch hier in Neuseeland die Zahl der Robben von 20. Millionen auf 3000 Stück reduziert hat. Warum? Fleisch und Pelz. Ich bin sprachlos, stehe an der Reling und bin gleichzeitig dankbar. Dankbar für diesen unglaublichen Tag, diese Seltenheit des schönen Wetters in Kombination mit den Tieren und dem komischerweise gar nicht so überfülltem Boot. Dass immer häufiger alles wie für uns vorbereitet erscheint, dass jemand weiß was uns glücklich macht. Nicht mal die lästigen Sandflys haben eine Chance, da der Wind genau so stark weht, dass sie hinfort getragen werden, es uns aber nicht ein Haar vor Kälte aufstellt.
Der Höhepunkt der ganzen Schifffahrt ergießt sich als eisiger Wasserfall über uns. Ganz nah manövriert uns der Kapitän an den Fels und mit roten Regenmänteln, einem riesigen Grinsen in Gesicht und komplett durchnässt tost die Natur um uns herum.
Wir sind glücklich. Glücklich und müde und nass. Hunger haben wir auch… aber das ist nach so einem Ausflug alles nebensächlich.

Auf dem Rückweg fahren Jenny und Clara gemeinsam vor. Jojo und ich fahren langsam nach und halten immer wieder an, um noch ein paar Motive abzulichten.

Dabei ist mein Bruder der wohl beste Asistent, den man sich wünschen könnte. Läuft von A nach B, sucht nach besseren Stellen um das Stativ aufzustellen, anderen Blinkwinkeln auf Wasserfälle und Wurzeln, stellt sich vor die Sonne oder zieht störende Büsche und Blätter aus dem Bildausschnitt.
Marita Lindner
5. März 2017 — 12:51
Ach, wie phantastisch das Bild mit dem doppeltenRegenbogen. Und auch alle anderen Fotos, das Wurzelwerk z.B. oder die Aufnahmen von euch selbst. Ich weiß nicht, ob ich immer Wind und Regen haben wollte. Lieber mag ich Windstille und Sonne.
Damit ich auf meiner Terrasse ein Mittagschläfchen machen kann. Aber kaum lege ich mich raus, sind – schwupp- schon wieder Wolken da. Freitag war die Beerdigung mit drei Böllern so laut, dass es einen fast vom Boden abhob. Neben der Urne lag links ein Stahlhelm und rechts ein Tournister (Affe) aus dem ersten Weltkrieg von Walters Vater. Stellt euch das mal vor. Nicola hat viele Fotos gemacht. Beim Essen danach waren wir so viele wie bei einer Hochzeit. Gerti hat sich überboten in Sachen Organisation. Euch weiterhin eine schöne Zeit.
„Flöge ich bis zur Morgenröte, so bist DU da“.
David & Clara
6. März 2017 — 5:42
Oh wir freuen uns schon, wenn wir auch mal wieder auf deiner Terrasse sitzen dürfen! Und an das Wetter hier haben wir uns schon ziemlich gewöhnt 🙂 Der letzte Satz, bzw. Bibelstelle gefällt uns besonders gut! Ganz liebe Grüße
Oma Berlin
7. März 2017 — 13:26
Also ……… Milford Sound mit den fantastischen Kontrasten sowie Eurem Gruppenfoto – einfach zum Heulen schön. Mir fehlen weitere Worte. Hoffe sehr, dass es irgendwann in der Nach-Reflexion Eurer großen Reise eine kleine Auswahl von Fotos für uns Kommentatoren gibt….. ganz altmodisch, in Taschenformat und nach dem Muster: In der Kürze der Highlights liegt die Würze oder so ähnlich…. incl. der Wahrung aller Eurer Rechte. Liebe Grüße von Oma Berlin