Nach einer windigen und kalten Nacht unter unserer schwarz gepunkteten Decke, wische ich ein Guckloch in die beschlagene Fensterscheibe neben meinem Kopf. Sonnenstrahlen blinzeln vereinzelt durch die Wolken und der Wind scheint sich gelegt zu haben. Trotzdem bleibt das Wetter kühl mit vereinzelt starker Sonne, was wir so gar nicht gewöhnt sind, weswegen sich der ein oder andere die ersten roten Hautarreale gönnt. Noch schnell die Achseln im eiskalten Blau waschen und die stinkenden Füße ignorieren und dann geht es mit verstaubten Haaren und funkelnden Augen weiter. Wir sind nun mitten im Gebirge und fahren immer tiefer in das einsame Tal zum höchsten aller Berge. Mount Cook- bedeutet ‚Der der immer in den Wolken ist’, in der Sprache der Maori. Während sich links und rechts der einzigen Straße immer höhere Schotterfelder und Felswände reihen, wird der Name zum Programm.
Am Ende, im Kessel liegend, türmen sich dunkelgraue, majestätisch und furchteinflößende Wolken zugleich, so hoch auf, dass wir die Größe der Berge nicht mehr ausmachen können. „Das ist dann wohl ein Unwetter wie es im Buche steht“, lache ich Dave noch im sonnendurchflutetem Auto sitzend an. Alsbald trommeln dicke Tropfen auf die Windschutzscheibe und der Wind hat erneut aufgefrischt. Mächtige Gletscherfelder schimmern blau zwischen den Felssparten und sind die Ursprünge unzähliger eisiger Bäche. Am Fuße des Berges angekommen, parken wir unser Gefährt und packen uns in dicke Jacken, bunte Wollsocken und Mützen. Der mit viel Mühe angelegte Pfad führt über kleine und große Hängebrücken, über klare Bäche und milchige Fluten. Grün-gelbes Gras wogt synchron in dem immer länger und enger werdenden Tal. Die Felsbrocken am Rande des Weges werden brachialer und erzählen von uralter Erdgeschichte. Inzwischen reißt der Wind so stark an unseren Extremitäten und Eisregen peitscht uns ins Gesicht, dass es mühevoller als gedacht ist, den Steg in einer aufrechten Position entlang zu gehen. Nichts desto trotz hält mich die raue Schönheit der schroffen Felsen in Atem und einmal mehr weiß ich, dass ich den Bergen für immer zu Hause sein werde.
Nach nur knappen, aber anstrengenden 60 Minuten erreichen wir trotz Jacken, völlig durchnässt das Ende des Tals und blicken auf einen Gletschersee mit großen dahinschwimmenden Eisbrocken. Der Wind ist so stark, dass uns kaum auf einer Stelle halten können und nach ein paar aufsaugenden Blicken treten wir den Rückweg an. Am Parkplatz angekommen, hat der Regen aufgehört und unsre Kleidung ist bereits des starken Windes wegen trocken.
Glücklich und geschafft steuern wir das nächstgelegene Örtchen Omarama an. Eine Besonderheit und richtige Wohltat wartet hier auf unsre kalten Knochen. Ein mit Feuer beheiztes, großes Holzfass nur für uns allein, gelegen zwischen gold-gelben Hügeln direkt an einem kleinen Teich. Wie für uns gemacht, hat sich der Wind gelegt als wir erneut aus dem Auto steigen und in unsere Badesachen schlüpfen. Dampfend wartet der Kessel bereits und als ich mein Bein in die Wanne setze, könnte es angenehmer nicht sein. Ein Abendrot am Himmel setzt dem ganzen ein Sahnehäubchen auf. Nach zwei Stunden anhaltendem Badespaß haben wir aufgetankt und schließen, die Köpfe geneigt mit einem Gebet für unsere Familien zu Hause und auch für unseren weiteren Weg. Wir danken und bitten um Schutz und Führung.
Dass dieses Gebet enorme Auswirkungen hat, soll sich die nächsten zwei Tage mehr als deutlich zeigen. Doch zunächst der Reihe nach. Müde, aber glücklich verlassen wir die Badeanstalt und sind noch etwas ratlos wo wir die Nacht legal verbringen sollen. Es ist schon dunkel geworden, als wir einen kostenlosen Campingplatz keine fünf Minuten entfernt finden. Es gibt ein sauberes Plumsklo und reichlich Platz. Dankbar schlafen alle in Sekunden ein. Starker Wind und gegen das Fenster gepeitschter Regen weckt uns am nächsten Morgen. Es ist wirklich kalt und mehr als ungemütlich. Wir beschließen heute Kilometer zu machen, die Vorräte aufzufüllen und irgendwie sonst mit dem Regen umzugehen. Schnell sinkt die Laune und kleine Keifereien zwischen mir und Dave sind vorprogrammiert. Es ist Nachmittag und erneut rückt die Suche nach einem Schlafplatz in den Mittelpunkt. „Irgendetwas wo wir wenigstens etwas windgeschützt wären…!“, denke ich und hoffe ein bisschen auf ein kleines Wunder. Kochen auf einem Gaskocher in einem Wind, der in Deutschland bereits als starker Orkan gelten würde, ist einfach doof. Dazu noch der permanente Regen, der in Sekundenschnelle alles im Auto und am Körper durchnässt. „Immerhin haben wir kein Zelt und sind auch nicht mit dem Rad unterwegs!“, versucht Dave meine Gedanken in die richtige Richtung zu loten. Auf der Karte finden wir einen relativ günstigen Platz, es soll Plumsklos geben, jedoch kein Trinkwasser. Schön gelegen soll er auch sein. Also gut, dann ab dahin. Als ob es kein Morgen gäbe, nimmt der Regen noch einmal zu und dunkle Wolken verdüstern den Himmel. Schließlich sind wir angekommen.
Es ist ein wunder schöner Platz, inmitten von großen Bäumen, vielen grünen Büschen mit kleinen Buchten und einer Art Carport mit Spülbecken und Kochmöglichkeiten. Wir stellen uns an eine geschützte Stelle und Jojo bringt es auf den Punkt: „Es ist unglaublich wie Gott uns in jeder Situation das absolut passende schenkt“. Dankbar bereiten wir nun Suppen und Nudeln unter dem windgeschütztem Dach zu und realisieren dass Sorgen bei einem Leben mit Gott eigentlich völlig unangebracht sind.
Die Nacht verläuft noch windiger als der Tag. Immer wieder peitschen Zweige gegen die Fenster und lassen vor allem mich mehrmals hochschrecken. In den frühen Morgenstunden gesellt sich zu meinem unruhigen Schlaf noch eine gewisse Angst. Dave zunehmend nervend murmele ich dass wir doch lieber das Auto ein, zwei Meter wegefahren sollten bevor uns die Äste den Lack zerkratzen oder gar eine Scheibe einschlagen. Doch wie erschlagen schlafe ich immer wieder ein, bis der Gedanke ‚Fahr das Auto weg’ unerträglich wird. Dave bemüht sich auf mein Bitten also in den Regen hinaus und sieht sich die Sache an. Er hört ein Knacken im Wald und entscheidet das Auto zur anderen Seite des Platzes vor einige niedrige Büsche zu fahren. Ebenso gibt er Jojo und Jenny neben uns bescheid, welche allerdings auch mehrere Aufforderungen brauchen um bei dem nasskaltem Wetter in die Gänge zu kommen.
Da wir nun alle schon einmal wach sind, bereitet sich der ein oder andere ein kleines Frühstück zu oder guckt verdrießlich aus dem Autofenster, als plötzlich der Baum unter dem wir die ganze Nacht standen nahezu lautlos auseinanderbricht. Nicht nur ein ein oder zwei Meter langer Ast, wie anfangs gedacht, sondern der halbe Stamm, liegt nun genau dort wo wir mit unsren Autos parkten. Die Größe des herab gebrochenen Holzes wäre neben einem Totalschaden auch lebensbedrohlich gewesen. Sprachlos starren wir zur anderen Seite des Platzes und haben gerade ganz praktisch eine Gebetserhörung in Sachen ‚Schutz’ erlebt.

Gleich mehrmals hat Gott uns auf die Sekunde genau geführt und so vor großem Schaden bewahrt! Unser Boot liegt immernoch an der Stell wo wir noch kurz vorher standen.
Sehr nachdenklich und dankbar packen wir unsere unversehrten Autos und fahren an der Küste weiter entlang nach Süden. Erneut regnet es ununterbrochen und windet so stark, dass mehrere abgebrochene Äste auf der Straße und sogar ein umgekipptes Wohnmobil in unser Blickfeld rutschen. Doch als wir an einer von uns ausgewählten Sehenswürdigkeit stehen bleiben und aussteigen, hört schlagartig der Regen auf, die Sonne kommt raus und alles erstrahlt in den schönsten Farben. Fassungslosigkeit über dieses nun täglich wiederkehrende Gnade macht sich in uns breit und lässt uns über die Liebe Gottes grübeln. Wie sehr wir ihm am Herzen liegen, dass wir wirklich jeden Tag so viel Segen bekommen, beschützt werden und sogar bei Laune gehalten. Und dass obwohl wir nur vier kleine Menschlein sind, die sich in den Kopf gesetzt haben am anderen Ende der Welt einen mehrwöchigen Roadtrip durchzuführen.
Armin Held
26. Januar 2017 — 13:23
Wunderschöne Bilder und wunderbare Bewahrung – wie gut, dass ihr gehört habt!
Gerade gestern hatte ich ein Gespräch mit jemandem, ob wir in der Hölle oder im Paradies leben, hier auf der Erde. Offensichtlich genau dazwischen!
Das Leben in Gottes Gegenwart kann paradiesisch sein, aber da ist auch noch die Welt und ihr Fürst:
Seid nüchtern, wacht! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann.
Dem widersteht standhaft durch den Glauben, da ihr wißt, daß dieselben Leiden sich an eurer Bruderschaft in der Welt vollziehen!
Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus, er selbst wird euch, die ihr eine kurze Zeit gelitten habt, vollkommen machen, stärken, kräftigen, gründen.
Ihm sei die Macht in Ewigkeit! Amen.
1.Petrus 5:8ff
In dieser Welt sind wir gleichzeitig die Braut und die Armee.
Viel Erfolg weiterhin dabei und Gottes Hilfe:
Demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zur rechten Zeit, indem ihr alle eure Sorge auf ihn werft! Denn er ist besorgt für euch.
1.Petrus 5:6-7
David & Clara
4. Februar 2017 — 2:51
Lieber Armin, danke für die tollen Bibelstellen! Diese sind wohl sehr passend. Wir sind auch unglaublich dankbar für die Bewahrung! Ganz liebe Grüße!
Lisa Cousine
31. Januar 2017 — 20:54
Hallo ihr lieben. Wahnsinn was ihr schönes erlebt habt die letzten Tage und Wochen. Wirklich beeindruckend wie wunderschön und vorallem vielseitig Gottes Schöpfung ist. Ich freue mich für euch das ihr für ein paar Wochen Jojo und Jenny an eurer Seite habt. Das ist echt cool wenn man nach so langer Zeit einen Teil der Familie in der Nähe hat.
Ganz liebe Grüße und fühlt euch gedrückt, ganz liebe Grüße auch an Jojo und Jenny und drückt Jojo mal von mir.
David & Clara
4. Februar 2017 — 2:52
Wurde gemacht! Wir haben wirklich viel Spaß zusammen und sind auch ganz dankbar für die bekannten Gesichter! Er sendet liebe Grüße zurück 🙂
Joe
4. Februar 2017 — 19:10
Hallo ihr Vier!
Spannende Abenteuer erlebt ihr ja am laufenden Band auf eurer Reise. Auf sein inneres Ohr – andere nennen es Bauchgefühl – sollte man immer hören. Ich habe das erst gelernt, als ich schon über 40 war. Da seid ihr früher dran. Gut so, denn dann macht man weniger verkehrt. Lg
Marita Lindner
4. Februar 2017 — 20:43
Da war doch dieses wunderschöne Foto von den Sternpflanzen in dem schwarzen Pilz-Wald. Märhenhaft!!!Ich muss wieder weiterlesen (:_) (:_) (:_).
Marita Lindner
4. Februar 2017 — 20:46
Ich war im Januar sehr beschäftigt mit Helga: Herz P.O. und jetzt in der Reha, eshalb habe ich das Lesen bisschen vernachlässigt, was ich heute nachhole. Ihr werdet daher einige >Kommentare von mir finden.