Stellt euch vor, ihr seid von morgens bis abends unter freiem Himmel. Steht mit der Sonne auf und sitzt, wenn die Dämmerung einsetzt noch immer draußen, die Gesichter von Kerzenschein erhellt, philosophierend über die Wuchsrichtung von Grashalmen. Der Wind pfeift euch jeden Tag um die Ohren, fährt euch durchs Haar und ihr habt längst aufgegeben es zu kämmen. Tagsüber ist die Sonne heiß, trotz Sonnencreme werdet ihr so braun wie noch nie und erfahrt nun ganz praktisch wie ein wettergegerbtes Gesicht aussieht und sich auch anfühlt. Der Kauf einer Tafel Schokolade kommt fast einer Sünde gleich und überhaupt habt ihr den Glauben an sämtlichen Schnickschnack verloren, vergessen, dass woanders Menschen ohne Föhn, ohne duftende Wäsche und ohne saubere Fingernägel einen halben Tobsuchtsanfall bekommen. Und ach, wie sehr stören schon diese paar Flecken auf meiner Hose? Makeup? Habe ich das überhaupt dabei? Statt von der neusten Generation des iPads, träumt ihr von einer heißen Dusche. Habt euch jedoch gleichzeitig längst an die kalten Flüsse und Seen gewöhnt. Ein feuchtes Frischetuch ist nun euer bester Freund. Und wenn ihr zu einem der kleine grünen Kabuffs geht, den Deckel anhebt und 70 gelbe Scheißhausfliegen in eurem Gesicht landen, dann schockt euch der Anblick von 5 Tonnen Fäkalien nicht mehr und überhaupt haltet ihr während der Prozedur ganz automatisch die Luft an. Gut – ab und zu sucht ein uralter Reflex noch nach der Spültaste, doch dann lacht ihr kurz über euch selbst und schüttelt in leichter Neigung den Kopf.
Ihr fühlt euch erhaben, wenn ihr Trinkwasser gefunden habt und es nährt euer Sicherheitsgefühl wenn der Kanister wieder voll ist. Wichtig geworden ist nun die Kombination aus Stellplatz und Wind zum Gaskocher, der richtige Reifegrad von Avocados und ganz generell ein Vorrat an Kartuschen. Was in der Welt, auf Facebook und in Whatsapp vor sich geht interessiert euch gar nicht, viel zu mühsam ist es geworden zwischen den Wäldern und Bergen einen Wifi Hotspot zu finden. Und ganz klar, der neueste Stand im Watten hat viel mehr Vorrang.
Wenn ihr euch dann mal wieder einer größeren Zivilisation namens Stadt nähert, seid ihr begeistert von der Auswahl an Essen und Restaurants und werdet von der Flut an Möglichkeiten und Luxus regelrecht überschwemmt. Doch die Masse an Menschen wird euch schnell zu viel und ihr staunt über euch selbst, dass ihr einen einsamen Campingplatz mit penetrierendem Fäkalgeruch und einem grimmigen Wärter dem Fortschritt vorzieht. Ihr vergesst dort eure Schuhe und seit einen Tag später völlig aus dem Häuschen, nicht mehr im Gedächtnis, dass man auch neue Exemplare kaufen kann.
Doch zwischen all dem, seid ihr vor allem eins: Glücklich und ausgelassen, zufrieden und bei euch selbst angekommen. Ihr habt nur noch Augen für die Schönheit der Natur, für die realen Dinge des Lebens und ihr seht alles weniger kompliziert. So dicht aufeinander kommt es natürlich zu Streitigkeiten, doch sie werden sofort ausgetragen und gleich vergeben, denn Weglaufen kannst du hier nicht. In einer solchen Weite, ganz ohne Ablenkung von Menschen, Medien oder der Arbeit kannst du nicht mal vor dir selbst weglaufen. Und du blickst dir selbst ins Gesicht, akzeptierst und fängst sogar an dich ein wenig zu lieben.
So und nicht anders ziehen die Tage ins Land, schaffen Erinnerungen und Platz für neue Träume. Verändern und machen einem das ein oder andere bewusst. Wieder einmal werde ich dankbar für dieses kostbare Gut der Zeit, gleichzeitig hoffend, dass ihr alle den Mut habt einen neuen, unbekannten Schritt zu gehen. Einen der euch fordert, euch zurückwirft oder über den ihr später lachen werdet. Nur einen Schritt heraus aus dem Gewohnten und Gekanntem.
Marita Lindner
5. März 2017 — 12:29
Gerade habe ich euren Beitrag vom 4.März gelesen. Was ihr alles erlebt an Schönem, Wunderbaren und weniger Schönem (wie z.B. die „WC“Möglichkeiten). Glaubt ihr, dass ihr euch hier überhaupt wieder einleben könntet? Aber irgendwann wird ja die grenzenlose Freiheit ein Ende haben. Dann müßt ihr euch halt die innere Freiheit bewahren , 2.Kor.3,17: Wo aber der Geist des Herrn ist, ist Freiheit. LG eure Omi.
David & Clara
6. März 2017 — 5:44
Diese Frage wurde uns schon so oft gestellt… nun wir wissen es selbst nicht. Es ist schwer vorstellbar einfach wieder in ein solch geregeltes Leben zurück zu finden. Dave hat letztens einen sehr passenden Satz gesagt: Wenn wir zurück kommen und da weiter machen wo wir aufgehört haben, haben wir eigentlich nichts gelernt.
Das fand ich sehr gut! Wir werden sehen 🙂
Carla
6. März 2017 — 13:58
David, dieser Satz ist es!
Für uns hier wird es tatsächlich extrem spannend, zu erleben, was das auf sich hat, mit der „Horizonterweiterung“….
Wie habt ihr euch verändert?
Was bringt ihr uns neben den zu beneidenden Bildern und Berichten mit?
Denn all das Schöne, das Berauschende, das Unglaubliche und Geschenkte, Erlebte… das bleibt ja da, wo es ist
– Fotos hin oder her –
und versteckt sich allein in euren Erinnerungen.
Wenn all die Eindrücke nur eure Leidenschaft und Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheit gefüllt haben,
wird es vielleicht sehr schwierig werden, hier wieder Fuß zu fassen.
Und das weniger Schöne, das Profane und Schwierige in den Mühlen der materialistischen Betriebsamkeit hier,
könnten der Treibstoff für heftige Fluchtteflexe werden,
weil man das Perfekte erlebt hat und nun kommt logischerweise nichts anderes mehr in Frage…..
Wenn es aber die Musik des Herzens zum Klingen gebracht hat und die Tiefen des Seins berührt hat,
erkennend, dass dies ein Vorgeschmack ist, auf das, was auf die wartet, welche die Kinder eines unglaublich schönen und verschwenderischen Gottes sind, …..
dann braucht ihr euch keine Sorgen zu machen!!!!
Denn diese Berührung verursacht eine Synphonie der Liebe, die der Schöpfer aller Schönheit selbst in die Herzen schreibt.
Das ist keine Musik, die man angstvoll verteidigen und für die man immer wieder irgendwo auf der Welt neue Noten suchen und finden muss….
Diese Melodien werdet ihr singen,
genau dort, wo ihr seid, besonders dort, wo andere sie hören müssen und genau dann, wenn kein anderer zum Singen aufgelegt ist… oder die Noten kennt…..
Dafür sind die wirklich schönen Dinge im Leben doch da:
Dass man sie teilt, mit denen, die sie vielleicht nicht haben?
Ich bin sehr gespannt, ….
aber nach all den tiefgreifenden Berichten und offenen Bekenntnissen, nach den erstaunlichen Belegen um euren Schutz und eure Bewahrung, mache ich mir keine Sorgen deswegen!
In diesem Sinne wünsche ich euch sehr, dass ihr mehr „Melodys statt Memorys“ mitbringt…. 😉
In großer Liebe ❤️
Carla
6. März 2017 — 14:00
….. den Satz des letzten Eintrags meinte ich…. 🙈
Carla
6. März 2017 — 14:05
Ihr werdet nicht da weitermachen,
wo ihr aufgehört hattet!
Sicher nicht!
Amen!
🙏🏻🦋
David & Clara
10. März 2017 — 7:57
Danke mama, für diesen wunderbaren Kommentar! Er hat mein Herz bis ins Innerste erwärmt!