Ich sitze gerade auf meinem neuen Lieblingsplatz. Er ist komfortabel, ergonomisch geformt, etwas ausgesessen und ziemlich hoch. Ich spreche von dem Beifahrersitz in unserem knapp zwei Tonnen schwerem Gefährt. Er hat gemütliche Armlehnen und einen nagelneuen Bezug, farblich auf den Teppich abgestimmt, der zu meinen Füßen verlegt ist. Etwas höher sitzen und einen breiteren Rundumblick auf die Straße zu haben als gewöhnlich, hat mir schon immer gut gefallen. Ich sitze also in diesem fahrenden Couchsessel und tippe die ersten Zeilen, während wir die nordische Grenze Deutschlands überrollen. Doch alles der Reihe nach…
Es ist der zweite Juli 2018 als wir München mal wieder für eine längere Zeit Adieu sagen und gen Norden fahren. Die letzten Monate, eigentlich seit der letzte Schnee geschmolzen ist, haben wir gebastelt, repariert, uns Sorgen gemacht, geschliffen, geklebt, gespachtelt, gehämmert, rausgerissen, lackiert, gebeizt, lasiert, genäht , neuen Mut geschöpft, Rost behandelt, uns wieder Sorgen gemacht und noch mehr Rost behandelt. Jede freie Minute standen wir bei Sonne und Regen um unseren Fiat Ducato 4×4 , älter als wir selbst und haben alles für unseren großen Trip vorbereitet. Und nun ist es soweit. Vor uns liegen 3000 km einfache Fahrt. Mindestens. Das Ziel? Der Polarkreis und noch ein Stück weiter. Eine einsame Inselgruppe im Höchsten Norden: Die Lofoten. Einmal davon gehört waren wir Feuer und Flamme und es war klar, dass dieses raue, wilde und abgelegene Stück Natur das nächste Ziel sein musste.
Dicke Pullover und Wollsocken, genauso wie Essen für zwei Monate und klein Tino sind zusammen mit vielen weiteren, sehr nützlichen Dingen gut verstaut und warten darauf bei aktuellen neun Grad kaltem und stürmischem Atlantik Wetter gebraucht zu werden. Doch ein bisschen Angst haben wir auch. Werden wir es überhaupt aus Deutschland rausschaffen? Überhaupt haben wir uns eigentlich keinen Plan zurecht gelegt. Beispielsweise welche Route wir nehmen, wie lange wir brauchen oder was wir dort eigentlich tun wollen. Sicher ist nur, dass wir in unserem Bus relativ autark leben können, ein sechswöchiges Zeitfenster haben und ein riesiges Abenteuer erleben wollen.
Da ist es natürlich von Vorteil nicht zu viel voraus zu planen, sich ein sehr altes, abenteuerliches Gefährt anzulegen und möglichst weit die Zivilisation hinter sich zu lassen…
So rollen wir also von Dannen, frohen Mutes, beschwingten Gemüts. Wie immer bitten wir Gott um Schutz und Führung und vertrauen uns Ihm an.
Die begrünten Hügel Oberbayerns ziehen an uns vorbei, Weizenfelder biegen sich in üppigem Korn und die Sonne schenkt uns ihre volle Aufmerksamkeit als sich in das idyllische Bild plötzlich ein störender Pfeifton mischt. Bei jedem Schalten wird er lauter und quälender. Unheilvoll blicken wir uns an, nicht mal eine Stunde ist seit unserem Start vergangen. Wer hatte hier nochmal so laut nach Abenteuer geschrien? Richtig. Ich natürlich. Uns war natürlich sofort klar, was für ein Problem dort unten unter der Motorhaube nach Aufmerksamkeit schrie: Der Keilriemen. Vor zwei Wochen jedoch neu gemacht, dürfte er sich jetzt eigentlich nicht zu Wort melden. Als wir gerade überlegen wie wir mit der Situation umgehen sollen, entgleisen Daves Gesichtszüge für eine Zehntelsekunde und er gibt ein nüchterns: „Jetzt isser gerissen“ zum Besten. Fuck.
Wir fahren also auf den nächst besten Lidl-Parkplatz, den Lidl lohnt sich, besonders um zwei Stunden auf einen Abschleppdienst zu warten. Mehrere Telefonate mit unserer extra abgeschlossenen Versicherung, sowie Haare raufen und scharren der Füße vergehen, bevor ein gut gelaunter Typ mit einem brachial großen Sattelschlepper anrückt. Als er unseren Liebling sieht, kratzt er sich an seinem mit Bartstoppeln besetzten Kinn und stellt fest, dass es unmöglich ist ein derartiges Gefährt auf seinen Transporter zu bekommen. Zu hoch, zu lang, zu breit…
Also fahren wir eskortiert, mit bangem Blick auf die Batterieanzeige in die Augsburger Innenstadt. Große Schilder mit: Gültig nur für die grüne Plakette prangen am Straßenrand. Als Dave dann auch noch mit dem Abschleppdienst hinter uns am Steuer telefoniert begeben wir uns endgültig auf illegales Gebiet. Währenddessen steigt die Kühlwassertemperatur auf angenehme 100 Grad Celsius. Ich beginne zu beten.
Endlich an der Werkstatt angekommen harren wir der Diagnose des Mechanikers. Das obligatorische Kopfschütteln und der dramatische Gesichtsausdruck beim Öffnen der Motorhaube bleibt bei uns aus, wird jedoch zügig nachgeholt als unser Wagen auf der Hebebühne empor fährt und sein rostiges Unterkleid zur Schau stellt.
Nach mehreren Minuten der Stille erfahren wir, dass unser Mechaniker keinen Grund finden kann, warum der Riemen gerissen sei. Es gäbe weder scharfe Kanten, noch würde er nicht richtig laufen. Natürlich haben sie keinen neuen Riemen vorrätig , obwohl wir sogar in einer Fiat Vertragswerkstatt gelandet sind. Bis die Lieferung am späten Nachmittag eintrifft, verdünnisieren wir uns in den angrenzenden Park und machen das beste aus der Situation. Picknicken und Lesen und Gott danken. Denn besser wir haben die Pannen noch in Deutschland, als irgendwo im Nirgendwo.

Gegen fünf Uhr Abends dann der erlösende Anruf. Es ist alles eingebaut und wir können weiterfahren. Die letzte Tachykardie löst der Gedanke an die Werkstattkosten aus und ich drücke meine Hände fest zusammen, während ein Angestellter unsere Rechnung tippt. Da dies eine Standard Reparatur sei, welche nicht im Katalog der Versicherung aufgenommen ist, bleiben wir auf den Kosten sitzen. Als er uns das Blatt über die Theke schiebt macht mein Herz einen Freuden Purzelbaum. Gerade mal sechzig Euro wurden uns berechnet. Ich strahle mit der heißen Nachmittagssonne um die Wette.
Als wir Augsburg mit gemütlich leisem Gebrumm verlassen, sind wir etwas ausgelaugt aber noch immer voller Tatendrang. Ob wir die anberaumten 500 Kilometer heute noch fahren wollen? Aber logo!
Die nun vor uns liegende Autobahn ist frei von angespanntem Verkehr und führt uns in die untergehende Sonne über dem Ruhrpott.
Müde aber glücklich nehmen wir die letzte Ausfahrt Richtung Massenheim um, leider viel zu spät, unsere lieben Freunde, Familie Ringleb zu besuchen.
Als gerade alle Anspannung von uns abfallen will, und Dave um eine enge Kurve biegt, ertönt ein altbekannter kreischend lauter, qualvoller Quietschton aus der Motorhaube…
stefan
4. Juli 2018 — 13:44
Geht ja gut los. Wünsche euch trotzdem eine gute Tour. Schön aufpassen, diesmal können wir nicht helfen. 🙂
Mfg Tobi und Stefan ( berliner)
David & Clara
11. Juli 2018 — 12:20
Lieber Stefan und lieber Tobi!
Es ist wirklich außergewöhnlich und freut uns so sehr, dass wir noch immer Kontakt halten… und ihr euch so für unsere Reisen interessiert! Wir freuen uns jedes mal ganz besonders wenn wir etwas von euch hören… und hoffen dass wir uns mal wieder sehen!
Ganz liebe Grüße,
clara und david
Ps: diesmal haben wir mehr Wollsocken eingepackt und sogar funktionsjecken 😀
Earny from Earncastle
4. Juli 2018 — 13:52
Oh man, was für ein Start! 🙈 Ich wünsche euch, dass es weniger Komplikationen auf der Weiterreise gibt und ihr eine tolle Zeit haben werdet! Ich bin mit Spannung dabei… 😊
David & Clara
11. Juli 2018 — 12:21
Liebe Anne! wie schön dass du auch wieder dabei bist! Eine wirklich treue Leserin! Ich hoffe es geht dir gut und ich freue mich schon auf neue Fotografien auf Instagram von dir 🙂
Sophie
4. Juli 2018 — 15:42
Neeeeiiin. Aber wie du schon sagtest, besser hier als im Nirgendwo! Alles wird gut 👍
Ich denk an euch
😗
David & Clara
11. Juli 2018 — 12:22
Danke meine Liebste!! ich freu mich schon wenn wir uns wieder sehen… und auch auf deine neuen Abenteuer 🙂
Sandrina
4. Juli 2018 — 16:14
Endlich gehts weiter auf eurem Blog! Ich freue mich! 🙂
David & Clara
11. Juli 2018 — 12:23
Liebe Sandrina, ich bin immer wieder erstaunt dass du immer noch dabei bist:)
und freue mich natürlich sehr darüber!!
Bald geht es ja auch bei dir auf große Reise! Machst du auch einen blog? ich wäre auf jeden Fall eine der ersten Leserinnen 🙂
Steffi Fischer
4. Juli 2018 — 19:43
Immer wieder schön von und über Eure Abenteuer zu lesen.
Macht riesen Spass. Wünsche Euch einen super tollen Trip möge alles glatt verlaufen. Ihr macht alles richtig. Passt auf Euch auf. 😘
David & Clara
11. Juli 2018 — 12:24
Wie schön dass du dabei bist Steffi!! Danke für deinen lieben Wünsche! Bis bald und liebe Grüße!!
Joe
4. Juli 2018 — 23:00
Hallo ihr beiden,
jetzt wird es aber Zeit, dass auch ich mich zu den Kommentatoren geselle. Da sind ja einige neue Namen dabei, die ich gar nicht kenne :).
Für das Alter des Busses würde ich sagen, war das eine ganz kleine Komplikation. Aber auch die kostete Nerven. Es gilt aber immer die alte Erkenntnis: Wenn man zusammen hält, ist alles leichter und besser zu ertragen. Und wer nichts wagt, der auch nichts erleben wird.
In diesem Sinne wünschen Mary und ich euch eine erlebnisreiche Reise – natürlich ohne Komplikationen, Sicherheit auf den Straßen und tolle Begegnungen mit fremden Menschen und der überwältigenden Landschaft Norwegens.
Wir haben heute überlegt, ob wir nächstes Jahr nicht auch mal nach Norwegen reisen sollten …
Übigens: Meine derzeitigen Gäste sind aus Alesund (an der Westküste zwischen Bergen und Trondheim). Dort soll es (den Bildern nach zu urteilen) auch sehr schön sein (habe gestern mal gegoogelt). Dort gibt es die höchste Felswand Europas.
Auf nach Norden – die Wikinger erwarten euch schon!
David & Clara
11. Juli 2018 — 12:25
Danke Joe, für deine Kommentare und deine Treue beim Lesen. Ich freu mich jetzt schon wieder sehr dass du so aktiv dabei bist!! Und so viel Interesse zeigst 🙂
Maryam
5. Juli 2018 — 10:20
Hallöchen ihr zwei!
Das war ja schonmal ein spannender Start. Freue mich drauf eure Reise von hier aus zu verfolgen. Und wünsche euch den besten Sommer zusammen.
— tschööö
David & Clara
11. Juli 2018 — 12:27
Hey Sister,
wie schön dass du mal vorbei geschaut hast !! Und noch schöner dass wir uns kennen !!
Kathi
5. Juli 2018 — 12:10
Danke, dass ihr den Blog weiterführt 😍
David & Clara
11. Juli 2018 — 12:29
Liebste Kathi… Ich wollte dir sogern noch auf deine wundervollen Briefe antworten und habe es nicht mehr geschafft… umso schöner nochmal hier etwas von dir zu hören.. nun erfährst du viel von mir… und ich eine Zeit lang gar nichts von dir… Ich bin also schon gespannt wenn wir unsere Briefe wieder aufnehmen und ich erfahre wie dein Sommer war!! ich hab dich lieb !
Christa Berlin
5. Juli 2018 — 12:15
Hallo aus Berlin – danke für Euren Start-Bericht mit einer „Prise Adrenalin“…..
und wie immer sehr talentiert in Worte gefasst! Das werden schöne unterhaltsame 6 Wochen für mich mit dem schon einmal erlebten Phänomen: Je weiter Ihr weg seid, desto näher seid Ihr mir…. dank meinem guten alten PC – was für eine Erfindung!!! Nach langen Tagen des Gleichklangs auf gewohnten ausgetretenen Pfaden im Kiez einer Metropole mit Ver- und Besorgungsliste im Kopf kommt jetzt die Chance zur „Teilnahme“ an Eurer aktuellen Reise in den
hohen Norden…. ich freue mich sehr darauf und hoffe, dass Ihr einverstanden
seid, wenn ich mich (wieder) in die Reihe der Kommentatoren begebe. (?)
Zunächst einmal bin ich total froh, dass Ihr Drei die technischen Anfangs-
schwierigkeiten gut überstanden habt und wünsche Euch gute Fahrt und viele Erlebnisse, die das Herz höher hüpfen lassen. Herzliche Grüße aus Berlin!
David & Clara
11. Juli 2018 — 12:31
Liebe Mutti…
Ich finde es wahrlich herrlich dass du als Oma noch einen PC hast und fleißig die Abenteuer deiner Enkelin liest und auch noch treu kommentierst! Ich hab wirklich von allen die beste Oma und freue mich schon wenn ich dich einmal wieder sehe!!
Omi solo in Solln.
27. Juli 2018 — 16:03
Hallo David und Clara! Ich hBE ERST VOR KURZEM ERFAHREN;dass ihr wieder einen blog macht und schreibt. deshalb schaue ich mir erst heute alles an. War etwas im Stress da meine beste und einzige Freundin nach hamburd zieht und ich sehr oft bei ihr war. nun ist alles verpackr und morgen geht es los. das bedeutet mehr zeit für mich und euren blog. Ich hatte schon mal in whats app geschrieben, bei wem Tino diesmal ageblieben ist,aber keine Antwort erhalten. Also darf der Spatzi mit zu den Lofoten. Darüber habe ich bei Knut Hamsun gelesen, als ich Isa stillte (:-). Jetzt muss ich euch weiterverfolgen. ciao.