Es ist schon später Nachmittag, die Sonne steht tief. Sirrende Hitze steht in den engen Gassen. Dave hängt sich unsere Kamera über die Schulter. Hand in Hand laufen wir Richtung Strand. Wieder etliche Hände und „Alles gut?“- Rufe die uns auf unserem Weg begleiten. Inzwischen scheint uns die ganze Siedlung zu kennen und zu mögen. An dem schmalen Weg zwischen den hohen Mauern brennen stark rauchende Feuer. Mit angehaltenem Atem rennen wir blind durch den immer dichter werdenden Smog. Die Szene hat etwas Dramatisches. An unserem Strand angekommen, öffnet sich ein schmal angelegter Pfad aus Steintreppen direkt an den hohen Felsen entlang. Dichte Palmwedel machen ihn schwer erkennbar. Krebse flüchten sich unter kleine Felsen, eine Echse aalt sich mit arrogantem Gesicht in einem kleinen Sonnenfleck.

Nachdem er das ‚Klick‘ der Kamera hört, dreht er mir ganz langsam den Kopf zu, als würde er sagen wollen: ‚Noch einmal, ohne mich zu fragen, und ich mach dich feddich!‘. Tatsächlich zieht er nach dem nächsten ‚Klick‘ von dannen, und auch wir suchen eingeschüchtert das Weite.
Der enge Weg öffnet sich zu einem neuen Strandabschnitt. Tosende Wellen donnern gegen schroffe Felsformationen, weiß leuchtet der Sand unter der ankommenden Gischt. Dichtes Buschwerk und lange Palmen säumen die Uferpromenade. Ich lasse meinen Blick über die Szenerie schweifen. Es ist wunderschön. Angespülte Muschelstücke, grüne Algen und Kokosnüsse liegen wild verteilt unseres Weges. Zwischen den wilden, grünen Pflanzen ragt ein Stück schwarz verbrannte Mauer heraus. Sofort hat das seltsame Gebilde meine volle Aufmerksamkeit. Wie die Pfähle einer Kirchenruine ragen die schwarzen Stempen aus der Erde. Gespannt gehen Dave und ich auf die mannshohe Mauer zu, erklimmen sie an einer günstig gebrochenen Stelle und stehen mitten in einem sagenhaften Areal. Vor uns eröffnet sich eine zu gleich schaurig wie auch wunderschöne Landschaft. Zwischen erhabenen Palmen aller Art, großen grünen Laubbäumen und Stauden voller Blumen ragen überwucherte Gebäudereste in die Höhe. Im Zentrum ein großflächiger verlassener Pool.
Um die Baumstämme geschwungene Lichterketten zeugen von einstigen Zeiten. Eine mit weiß getünchten Geländern, steinerne Treppe führt zu intakt erscheinenden kleinen Häusern. Weiße Baststühle und kleine Terrassen, wir müssen uns in einem ehemaligen Resort befinden. Einige Gebäude sehen noch ganz neu aus, anderen fehlt das Dach. Grüne Schlingpflanzen winden sich durch die Fenster.
Leise, als ob wir jemanden aufschrecken könnten, laufen wir durch das verlassene Dorf. Lianen hängen von mächtigen Bäumen herunter, ein paar Affen hüpfen von Zweig zu Zweig. Wir fragen uns was hier passiert ist, wer diesen wunderschönen Platz einfach zurück gelassen hat. Alles scheint, als ob gerade noch Besucher da gewesen seien. Als ob jemand die Zeit angehalten hätte und nur die Natur hier weiterlebt. Irgendwie passen die teilweise ganz intakten, vollmöblierten Gebäude nicht mit dem Fortschritt der Pflanzen zusammen. Und wenn dieser Ort schon so lange verlassen ist, warum liegt hier kein Müll? Keine Schmierereien von Jugendlichen, warum wirkt trotz der wilden Pflanzen noch alles so gepflegt? Wir forschen weiter, trauen uns in eines der völlig abgebrannten Gebäude hinein. Die Wände sind schwarz und es gibt viele Fensterlose Räume. Je tiefer wir eindringen, desto lauter dringt ein Geräusch an unser Ohr. „Fledermäuse!“, flüstert Dave mir zu. Dann haben wir die Höhle der Tiere ausgemacht, es ist so dunkel, dass man die Hand vor Augen nicht erkennen kann. Mit dem Blitzlicht der Camera machen wir eine Momentaufnahme und erstarren als wir die Vielzahl großer Fledermäuse auf dem Bild erkennen. Kreischend steben sie auseinander.
Wieder im Sonnenlicht, taucht aus dem grünen Dickicht plötzlich ein alter Mann auf. Er fragt uns ob wir diesen Platz schön fänden. Es sei sehr ruhig hier, sagt er. Wir fragen ihn ob er wisse, was hier passiert sei, gespannt auf des Rätsels Lösung. In gebrochenem Englisch erzählt er uns, dass hier der Tsunami von 2004 gewütet habe, dass dieses Areal nicht mehr genutzt werde und dass zu dem Zeitpunkt als es passiert ist, keine einzige Menschenseele im Dorf war. Die schon vorher gefühlte mystische Stimmung verstärkt sich. Fragen schießen mir durch den Kopf. Wie kann nach 12 Jahren ein Platz immer noch so schön aussehen? Warum baut dieses kleine grüne Paradies mit Blick auf’s Meer niemand mehr auf? Warum siedeln sich keine Einheimischen hier an?
Erfürchtig verlassen wir das stille Dorf auf dem Weg den wir gekommen sind. Inzwischen ist es schon dunkel.
Heinz und Nele
24. August 2016 — 19:41
Sagen-haft.
Ihr seid echte Entdecker.
Furchtlos und (beinahe) unerschrocken.
Ein Held mit mutiger Gefährtin….
David & Clara
29. August 2016 — 18:22
Danke ihr treuen Leser! 🙂
Earny (Anne)
25. August 2016 — 19:41
beeindruckende Aufnahmen!
David & Clara
29. August 2016 — 18:23
Danke liebe Anne!
Joe
26. August 2016 — 14:05
Hallo Ihr Zwei Abenteurer,
habe heute Zeit und alle eure Texte seit dem Flug nach Bangkok samt der Kommentare gelesen.
Bei Mr. Stinkefuß musste ich noch herzlich lachen, doch je mehr ich laß, desto mehr kam ich ins Grübeln, ob mir solche Erlebnisse auch gefallen würden. Mein Fazit: ein eindeutiges Nein! Der Schmutz, die mangelnde Hygiene und die Vertrauensunsicherheit in Thailand, Indien und ähnlichen Ländern sind nicht meine Welt. Da würden mir auch keine noch so schönen Wellen oder Palmen samt King-Coconut den Ausgleich zaubern können.
Nun war ich ja schon in Asien, aber nur in den großen Städten und zu Geschäftszwecken – das ist eine andere Welt – und die habe ich gerne mal kennen gelernt, brauche aber keine Wiederholung dieser Erfahrungen.
Meine Empfindungen sollen aber euch die Freude an diesen Erlebnissen nicht schmälern. Wie Clara wieder sehr anschaulich berichtet, gibt es nach „jedem Regen auch wieder Sonne“. Oder anders ausgedrückt – wo Licht ist, gibt es auch Schatten; wie überall in der Welt und im Leben.
So wünsche ich euch derzeit noch von Mallorca aus weiter spannende Erlebnisse und Herausforderungen. Ihr seid ja ein gutes Team und meistert das alles.
LG
David & Clara
29. August 2016 — 18:27
ja auch ich muss feststellen, dass ein dauerhafter Aufenthalt in den Tropen wohl eher weniger meins wäre. Mehr dazu wohl in meinem nächsten Blogeintrag 🙂
armin
26. August 2016 — 20:43
Wow, tolles.erlebnis! Ihr seid echte Helden!
David & Clara
29. August 2016 — 18:27
🙂 ja.. das war schon was besonderes!
Oma Berlin
27. August 2016 — 14:53
Hallo ihr Abenteurer…. also um diese Erfahrung beneide ich Euch nicht! Da bekäme ich sofort „Kino im Kopf“ anlässlich der Frage, was sich hier Gewaltiges abgespielt haben muss, das Menschen veranlasst waren, diesen traumhaften Wohnort panisch für immer zu verlassen (?) Wahrscheinlich machten sie die absolute Grenzerfahrung, nach der sich die Frage der Rückkehr und Wiederherstellung gar nicht mehr stellt – so eine Art ultimative „Höhere Gewalt“ vom realen Tsunami abgesehen…..
Es war sehr mutig von Euch, sich an diesem Ort ein wenig vorzuwagen, und Ihr habt Euch auch adäquat verhalten. Wünsche Euch noch viele freundliche, einladende Orte und Begebenheiten. Schluss für heute mit „Omas Fantasien“. Liebe Grüsse aus dem sommerlichen Berlin
David & Clara
29. August 2016 — 18:29
Ach Mutti, deine Kommentare sind immer wieder herrlich 🙂 Ich vermisse dich :*
Nicola
28. August 2016 — 19:33
Das hätte mir gefallen! Aber ich glaube, ich hätte vor Aufregung zwischendrin ein stilles / NOCH stilleres Örtchen aufsuchen müssen 🙂
Janette
28. August 2016 — 19:54
Wow, das ist zutiefst beeindruckend. Was für ein trauriger Hintergrund zu diesem mystischen Fund. Das stimmt mich sehr nachdenklich.
Tolle Fotos und wunderschöne Landschaft.
Seid ganz lieb gegrüßt und umarmt.
David & Clara
29. August 2016 — 18:28
Danke! Umarmung und Grüße zurück 🙂